Einige Hunde werden dazu verdonnert, bei anderen wird er in bestimmten Situationen notwendig und manchmal erleichtert der Maulkorob unsicheren Kandidaten und ihren Haltern das Leben. Für viele Menschen bedeutet es aber ein Spießrutenlaufen. Das muss nicht sein, wie unsere Autorin selbst erfährt.

Rosa hütet für ihr Leben gern. Kein Wunder, denn für diese Aufgabe haben Schäfer ihre Rasse über Jahrhunderte gezüchtet. Einziges Problem: Ich habe keine Schafe. Und so hat meine Hündin alles, was sich bewegt, zu ihren Schützlingen erklärt: Radfahrer, Autos, Züge. Einer Kellnerin, die mir dampfendes Essen serviert, zwackt sie in die Hacken, als sie wieder gehen will. Zu Hause lässt sie Gäste nicht vom Tisch, ohne zu schnappen. Eines Tages zwickt sie einer älteren Dame aus dem Nichts ins Bein. Der Schreck ist groß. Die Frau erstattet Anzeige. Wenige Tage später entscheidet unser zuständiger Amtstierarzt: Rosa muss in der Öffentlichkeit einen Maulkorb tragen.

Ich fühle mich schuldig, frage mich, was in ihrer Erziehung falsch gelaufen ist, und kann es mir nicht erklären. Ich bin mit dem zwölf Wochen alten Welpen in die Hundeschule gegangen, habe ein Jahr lang alle möglichen Kurse besucht. Kommandos wie „Sitz“, „Platz“ und „Warte“ klappen hervorragend. Rosa hat von Anfang an vieles kennengelernt, ist sowohl an die Stadt als auch an lange Fahrten gewöhnt, spielt mit anderen Vierbeinern und wäre sogar ein idealer Familienhund, wenn da nicht ihr extremes Hüteverhalten wäre. Und das bekomme ich partout nicht in den Griff.

Selbstschuldzuweisungen sind kontraproduktiv

Nichts hat bisher funktioniert, bis ich die Verhaltensberaterin und Hundetrainerin
Josefine Schwamborn kennenlerne. Sie sagt: „Selbstschuldzuweisungen sind kontraproduktiv.
Sowohl der Hund als auch der Mensch sind eigene Persönlichkeiten, die Grenzen haben. Ein Halter ist nicht zwangsläufig ein guter Trainer. Und nicht jedes Tier lässt sich formen. Wichtig ist, das zu akzeptieren und beide so anzunehmen, wie sie sind. Dann können wir nach Wegen
suchen, die trotzdem ein entspanntes Zusammenleben ermöglichen.“ Ein wirksames
Hilfsmittel ist das Aufsetzen eines Maulkorbs.

Maulkorbpflicht für Hunde
Der Korb muss gut sitzen ©Pavel/adobe stock

Die Auswahl ist riesig: Es gibt schicke in Himbeerpink und Neongrün, stabile aus Metall, preiswerte aus Kunststoff und traditionelle aus Leder. Welcher ist der richtige
für unsere Hundedame? Der Maulkorb passt, wenn die Schnauze ausreichend Platz zum Hecheln hat, die Augen frei sind und die Nase den Korb nicht berührt. Der Hund muss trinken und schnüffeln können.

Maulkorbtragen belohnen

Natürlich ist das neue Ding auf der Nase zunächst ungewohnt für Rosa. „Der Maulkorb muss zu einem alltäglichen Zubehör werden“, erklärt die Expertin. Und dementsprechend agieren wir nun. Das Anlegen wird zu einem ganz normalen Vorgang, wie das des Halsbands und der Leine. Ich bleibe dabei gelassen und fröhlich. Das ist wichtig, denn wenn der Halter schon mit einer schlechten Stimmung herangeht und den armen Hund bedauert, überträgt er diese Haltung automatisch auf das Tier.

Wenn Maulkorbtragen zur Pflicht wird
Leckerlis können das Tragen angenehmer machen ©Andreas Krone

Um Rosa das Tragen draußen angenehmer zu machen, belohne ich sie bei der Gassirunde mit kleinen Köstlichkeiten, die ich zwischen die Sprossen schiebe. Kommen uns Passanten mit oder ohne Vierbeiner entgegen, bleibe ich ebenfalls ganz locker. Es hilft, den anderen zu signalisieren, dass von uns keinerlei Gefahr ausgeht, denn ein Hund, der einen Maulkorb trägt, wird oft sofort als gefährlich eingestuft.

Erleichterung schnell spürbar

Schon bald merke ich die Vorteile des neuen Hilfsmittels. Die täglichen Spaziergänge sind entspannter. Ich muss nicht ständig die Gegend scannen, ob unverhofft ein Kind auf die Straße läuft, nach dem Rosa schnappen könnte. Der Postbote braucht keine Angst mehr zu
haben, weil sie ihn hüten will. Sie darf wieder dabei sein, wenn wir Besuch haben. Alle können jederzeit aufstehen und durch die Wohnung laufen, ohne einen Hackenzwicker zu fürchten. Rosa spürt diese entspannte Atmosphäre.

Als würde der Maulkorb einen Schalter umlegen. „Du hast jetzt frei“, signalisiert er ihr. Und
sie bleibt bei uns, legt sich auf die Seite und schläft. Ohne ihn sähe unser Alltag anders aus, stressiger. Offen gestanden: manchmal kaum zu bewältigen. Auch die Trainerin bestätigt:
„Für viele Halter ist die Nutzung eines Maulkorbs eine Befreiung aus einer scheinbar ausweglosen Situation. Sie können wieder Nähe ihres Hundes zu anderen Menschen, anderen
Tieren zulassen, können sich freier bewegen, ohne jemanden zu gefährden.“

Kein Mitleid suggerieren

Während ich also ganz selbstverständlich meinem niedlichen Schafpudel mit den langen Schlappohren den Maulkorb aufsetze, werde ich immer wieder angesprochen: „Oh, die Arme, warum muss sie denn so etwas tragen?“ Mitleid an der falschen Stelle, und viele halten
Hunde mit Beißkorb generell für böse. Dabei gibt es viele gute Gründe für das Tragen. Der Schutz des Menschen steht dabei zwar immer im Vordergrund, aber die Ursachen sind unterschiedlich.

Ein Maulkorb schützt Hunde
Manche Hunde picken alles am Wegesrand auf ©adobe stock

Bei Rosa ist es das unberechenbare Hüteverhalten. Andere Hunde picken ständig Sachen vom Wegesrand auf, was für sensible Schnauzen stets gesundheitsbedenklich ist und für alle lebensgefährlich werden kann. Insbesondere in der Grillsaison, in der Parks und Rasenflächen eine einzige kulinarische Versuchung darstellen. Überall liegen dann Reste von Bratwürstchen, gewürztem Fleisch und abgenagte Knochen herum.

Viele Gründe sprechen für den Maulkorb

Einige Vierbeiner tragen Maulkorb, weil sie den Wesenstest nicht bestanden haben. Von vornherein aufgrund ihrer Rasse verpflichtet sind in den meisten Bundesländern die Listenhunde wie American Staffordshire Terrier, American Pitbull Terrier, Bullterrier, Staffordshire Bullterrier oder Rottweiler. Egal, ob sie bereits auffällig waren oder nicht. Und schließlich gibt es auch noch Halter, die einfach nur für alle Eventualitäten den Umgang mit ihm trainieren wollen: Bus, Tierarzt, Urlaubsreise.

Maulkorb als Schutz
Maulkorbtragen bedeutet auch Schutz für andere
©adobe stock

„Vorteilhaft wäre es, wenn alle Hunde von klein bis groß den Umgang mit einem Maulkorb kennenlernen“, findet Josefine Schwamborn. Denn zumindest in Bussen, Straßenbahnen, U-Bahnen und Zügen, auf Dampfern und Fähren ist ohne gar nicht erlaubt. Eine Fahrt ist für die meisten Tiere schon sehr aufregend. Sind sie aber das Ding um ihre Schnauze nicht gewohnt, wird das an sich nützliche Hilfsmittel zum bösen Gegenstand, der noch mehr Stress verursacht. Und negativ belegt wird. Dabei kann der Vierbeiner mit Maulkorb genauso entspannt sein wie mit Halsband. Auch der Besuch beim Tierarzt lässt sich damit stressloser gestalten. Bei Schmerzen und Verletzungen wird der Veterinär, allein um sich abzusichern, darauf bestehen.

Ganz gelassen durch den Alltag

Für Rosa ist der Maulkorb längst ein selbstverständliches Accessoire geworden. Ihre Freunde auf der Wiese kennen und akzeptieren sie so. Sie hat dadurch auch die Möglichkeit, sich gegen unangemessenes Verhalten beim Spielen zu wehren und andere in die Schranken zu
weisen, ohne dass etwas Schlimmeres passieren kann. Auch das ist ein guter Grund, insbesondere bei unsozialisierten Artgenossen.

Wenn der Hund einen Maulkorb tragen muss
Freiheit im Alltag dank Maulkorb
©Andreas Krone

Wir trainieren mit unseren Hunden Grundsignale, bringen ihnen Tricks wie Pfotegeben, Küsschen und Rolle bei, zeigen ihnen die Stadt, gehen in den Tierpark, gewöhnen sie an Menschenansammlungen. Genauso sollten wir mit ihnen das Tragen des Maulkorbs üben. Er erleichtert das gemeinsame Leben in vielen Situationen und ist wie eine Brille, die uns und auch unseren Vierbeinern mehr
Durchblick gibt. Jana Krone