Immer mehr Menschen und ebenso deren Hunde leiden unter Stress. Wir Halter übertragen ihn, oft unbewusst, auf unsere Vierbeiner. Der Leistungsdruck ist hoch, führt häufig zu Disharmonien. Doch Hundetrainer Thomas Baumann kennt ein Mittel dagegen, und das heißt: Entschleunigung!

Welcher Hund bekommt heutzutage noch seine 18 Stunden Schönheitsschlaf?
Denn diese Zeit braucht ein erwachsener Vierbeiner um zu entspannen. Welpen und Senioren sogar noch etwas mehr. Doch passt das eigentlich noch in den klassischen Alltag eines Hundehalters? „Alles fängt beim Menschen an. Der gibt die Richtung vor, der
Hund folgt“, erklärt Thomas Bauman. „Schläft der Halter schlecht, ist unausgeruht, hektisch und nervös, überträgt er dieses Verhalten automatisch auf sein Tier.“

Aus diesem Grund hat der Experte zusammen mit seiner Frau ein Buch geschrieben. Eins, das in der heutigen Zeit wertvoller denn je ist. In „Entschleunigung von Mensch und
Hund“ geht es darum, gemeinsam mit dem Vierbeiner zu mehr innerer Ruhe und Gelassenheit zu finden. Dafür haben die Baumanns ein Mentaltraining entwickelt, das wie ein Urlaub auf Hawaii klingt: die La-Ko-Ko®-Methode.

Langsam den Alltag verändern

Stressbewältigung bei Hunden
Entspannen ist so wichtig

„Eine weitgehende Souveränität und damit innere Ruhe und Gelassenheit gehören zu den wichtigsten Voraussetzungen, wenn der Mensch das Verhalten seines Vierbeiners langfristig und nachhaltig verändern möchte“, weiß der Trainer. Zunächst stellt sich aber die Frage, wie
groß der Leidensdruck von Hund und Halter oder auch umgekehrt bereits ist. Zeigen Max, Luna oder Benny schon extreme Auffälligkeiten oder sind sie einfach nur hochgedreht? Und wie sieht es bei Frauchen und Herrchen aus? Ist ihnen überhaupt klar, dass ihre Dosis an
Stress schon das Level eines HB-Männchens erreicht hat – oder kurz davor ist?

Die erste Hürde ist die Selbsterkenntnis, dann kommt der Blick auf den tierischen
Sozialpartner. Eins nach dem anderen und ganz langsam oder wie Baumann sagt: „Raus aus dem Hamsterrad und rein in die meditative Hängematte.“ Aber nur nicht gleich ins andere Extrem verfallen. Denn auch eine plötzliche oder bis dato gepflegte Untätigkeit kann
Stress auslösen.

Einfach mal den Stecker ziehen

Kleine Dinge, wie beim Gassigang das Smartphone auf Flugmodus zu schalten oder besser gleich zu Hause zu lassen, können viel bewirken. Die digitale Entgiftung sozusagen. In den Wald gehen statt in den überfüllten Park um die Ecke. Am besten irgendwohin, wo kamikazeartige Radfahrer oder dröhnender Autolärm keine Berechtigung haben. Den Moment genießen, mit dem Hund auf einer Wiese, am See, Sandstrand oder einer Bank unter einer alten Eiche sitzen, und einfach mal runterfahren. Bewusst atmen, damit Herzschlag undBlutdruck sinken.

Stressbewältigung bei Hunden
Die Übungen sind wie eine Therapie für die Hunde

Auch Bello braucht nicht jeden Tag ein Motivationsprogramm. Er kann gut einmal darauf verzichten, den Futtersack zu apportieren oder einem Ball hinterherzujagen, vor allem einem, der mit der Schleuder rekordverdächtig weit an den Horizont katapultiert wird. Baumann rät dazu, alles einfach etwas langsamer anzugehen. „Runterkommen, den Stecker ziehen und beobachten, was das mit einem macht.“ Er weiß, für viele Zwei- und Vierbeiner fühlt sich die Ruhe zunächst verwirrend an. Doch genau das auszuhalten und die Ruhe immer wieder
in den Alltag zu integrieren, erhöht unsere Lebensqualität und die des Hundes gleichermaßen.

In der Ruhe liegt die Kraft

Um einen nachhaltigen Erfolg bei nervösen, hochagilen oder auffälligen Hunden zu erzielen, kommt es vor allem darauf an, den Stress nicht nur zu reduzieren, sondern ihn zu bewältigen. Wer das schafft, kommt einer Goldmedaille sehr nahe. „Es hat sich in der Praxis bewährt, Rahmenbedingungen zu ermöglichen, die Stress dämpfen, anstatt den Vierbeiner mit Leckerlis oder Spielzeug zu beruhigen oder abzulenken“, berichtet Thomas Baumann. Dafür hat er die La-Ko-Ko®- Methode entwickelt. Sie steht für Langsamkeit, Konzentrationund Koordination.

Stressbewältigung bei Hunden
Ina und Thomas Baumann mit Hunderudel

„Wir beginnen damit, unsere Gehgeschwindigkeit mit Hund extrem zu verlangsamen.
Bei den darauffolgenden Übungen, wie im Slalom oder Labyrinth zu laufen, geht es darum, dass sich der Halter zu hundert Prozent auf sein Tier konzentriert.“ Viele fallen dabei fast automatisch in eine Art meditativen Zustand, gewinnen neue Kraft und Energie und empfangen positive Schwingungen. Dieses Training ist keineswegs esoterischer Schnickschnack, sondern es bildet das Fundament für grundlegende Veränderungen in der Hund-Halter-Beziehung. „In der Ruhe liegt die Kraft. Das spüren die Teilnehmer in unseren Seminarensehr schnell“, so Baumann.

 

Eine grundlegende Beziehungsreform

Sind Mensch-Hund-Beziehungen allerdings sehr belastet und neigt ein Tier zu aggressiven Verhaltensweisen gegenüber seinem Besitzer, nützen die Übungen nicht viel. Dann muss eine grundlegende Beziehungsreform unter fachkompetenter Anleitung erfolgen. Doch es ist schön zu sehen, wenn sich der Kontext zwischen Mensch und Hund daraufhin verändert. Wenn der Vierbeiner Aufgaben bekommt, die er selber lösen darf, und sein Halter stolz wie Bolle darauf ist. Wenn Ballwerfen nicht nur stupides Laufen und Bringen bedeutet, sondern echte Freude am gemeinsamen Spiel. Wenn beide nach Hause gehen und glücklich auf das Sofa sinken. „Dann ist das Ziel erreicht“, weiß Thomas Baumann. Suzanne Eichel

 

Thomas & Ina BaumannBuchtipp
Entschleunigung von Mensch und Hund
Gemeinsam zu mehr innerer Ruhe und Gelassenheit
Kosmos Verlag · ISBN 978-3440-16797-7 · 26 €
Hörbuch · EAN 978-3-8032-9258-2 · ab 15,99 €

 

Fotos: © Anna Auerbach