Seit August 2024 eskaliert in der Türkei die Gewalt gegen Straßenhunde. Das Land setzt auf staatlich organisierte Massentötungen, statt Tierschutzmaßnahmen umzusetzen. Tierheime werden zur Todesfalle, Hunde verhungern qualvoll, Tierschützer werden eingeschüchtert.
Es gibt immer wieder neue Aufnahmen, die enthüllen, was die türkische Regierung längst nicht mehr verschweigen will: Straßenhunde werden brutal getötet, vergiftet oder lebendig
begraben. Die Säuberungsaktion seit dem Start der Tourismussaison im Frühjahr ist in vollem Gange, kaum aufzuhalten und brutaler denn je. Mitarbeiter der VETO Tierschutzorganisation waren vor Ort, und ihre Bilder und Videos sind erschütternd.
Das Straßentiergesetz, als Schutzmaßnahme für Zwei- und Vierbeiner verkauft, hat sich als Todesurteil für Tausende von Hunden erwiesen. Nach heftigen Protesten auf nationaler und internationaler Ebene ruderte die Regierung zunächst zwar zurück und überarbeitete das Gesetz, doch die Neufassung ist nur wenig besser.

Eskalation im ganzen Land
In der Türkei leben zwischen vier und sechs Millionen Straßenhunde. Dabei ist für die Hunde neben Hunger, Krankheiten und dem öffentlichen Verkehr der Mensch die größte Bedrohung. Nur flächendeckende Kastrationsprogramme könnten ihr Leid nachhaltig verhindern. Seit Inkrafttreten des Gesetzes dürfen die freilebenden Vierbeiner aber nach der Kastration nicht mehr zurück auf die Straße, sondern müssen in Tierheimen untergebracht werden. Tierschutzvereine berichten, dass auch Kastrierte und Gesunde von festen Futterstellen verschwinden. In einigen Orten wurden Massengräber entdeckt, Tierschützer erleben Gewaltandrohungen und Einschüchterungsversuche.
Gesetz mit tödlichen Folgen
Das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz sieht Folgendes vor: Die Kommunen sind dazu verpflichtet, sämtliche Straßenhunde einzufangen und in Tierheimen unterzu-bringen. Veterinäre entscheiden, wer von ihnen als krank oder aggressiv gilt oder eine „Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier“ darstellt und schläfern die betroffenen Felle ein. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf sah vor, dass die Vierbeiner in den staatlichen oder kommunalen Tierheimen für einen Monat online zur Adoption angeboten werden. Fände innerhalb dieses Zeitraums keine Vermittlung statt, wäre das auch ihr Todesurteil.
Die auf diese Weise freigewordenen Plätze würden mit eingefangenen Straßenhunden wieder aufgefüllt, und das Ganze begänne von vorn – so der Plan. Insgesamt geht die Rechnung nicht auf. Derzeit steht gerade einmal für 2,5 Prozent der Straßenhunde ein
Tierheimplatz zur Verfügung. Medienberichten zufolge besitzen 1200 der 1389 Gemeinden in der Türkei überhaupt kein Tierheim.

Gefahr: Tollwut und Beißvorfälle
Die WHO stuft die Türkei als Hochrisikoland für Tollwut ein und 99 Prozent der Fälle sind auf Hundebisse oder -kratzer zurückzuführen. In der Bekämpfung setzt die Republik nun auf Massentötungen anstatt auf nachhaltige Lösungen wie das Einfangen, Kastrieren und Freilassen, um die Population und damit ebenso die Tollwutzahlen zu verringern. Gesetze und Standards existieren, werden aber selten umgesetzt oder kontrolliert. Tierschützer
berichten von Sheltern, in denen Hunde keine ärztliche Versorgung erfahren, tagelang kein Futter erhalten und vor Hunger bellen – bis sie verstummen. In einigen Regionen wurden verhungerte Tiere in ihren Zwingern gefunden.
Polarisieren auf Kosten der Tiere
Die Vertreter von Präsident Recep Tayyip Erdoğan rechtfertigen die Maßnahmen mit der Gefahr, die von den Streunern für Menschen ausgehe. Erdoğan selbst betonte
laut Medienberichten, es gehe um die „Sicherheit des Volkes“. Kritiker sehen in der Diskussion über die Straßenhunde auch eine politische Komponente und den
Versuch, von anderen Problemen wie der hohen Inflation abzulenken, das Land weiter zu polarisieren und den von der Opposition geführten Kommunen das Leben schwer zu machen. Bei den vergangenen Kommunalwahlen musste die nationalkonservative Partei AKP eine Schlappe einstecken. Vor allem in den Metropolen gewann die Oppositionspartei CHP und stellt daher die Bürgermeister.
Ganz gleich, welche Motivation dahinterstecken mag – eins wird vonseiten der Befürworter des Gesetzes vergessen: Die vielerorts hohe Population und das Leid der vielen Straßentiere sind ein menschengemachtes Problem. Der Konflikt kann langfristig nur gelöst werden, indem dauerhaft Verantwortung übernommen wird – und zwar auf humane Weise und mit einem sinnvollen, erprobten System. Madita Haustein
https://www.veto-tierschutz.de
Alle Bilder Veto_Türkei©CL_Städt.Shelter




