Spielen die Hormone der Rüden verrückt, beginnt für Tier und Halter eine stressige Zeit. Der spitze Lumpi hat aufgrund seiner Hypersexualität nur noch eins im Sinn: paarungswillige Hündinnen finden und seine Gegend markieren. Mehr nimmt er kaum noch wahr. Andere Rüden empfinden gleichgestellte Artgenosse als Konkurrenten, mit dem es sich zu messen gilt. Das geht selten freundlich zu. Jetzt wäre es aber zu einfach, dies alles nur auf den Geschlechtstrieb zu schieben, manches ist durchaus der Erziehung geschuldet. Dank der medikamentösen Kastration, können Frauchen und Herrchen erkennen, ob ihr Vierbeiner tatsächlich ein Opfer seines Sexualtriebes ist, oder nicht. Aber vor allem auch, wie er als Kastrat reagiert.

So funktioniert das Implantat

Wenn die Hormone verrückt spielen
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Das reiskorngroße Suprelorin-Implantat wird dem Hund, ähnlich wie bei einem Transponder (Mikrochip), zwischen die Schulterblätter unter die Haut appliziert. Es enthält den Wirkstoff Deslorelin, der die Regulation der Geschlechtshormone steuert. Bei der Dosierung sind entweder 4,7 mg für eine Wirkdauer von sechs Monaten oder 9,4 mg für ein Jahr möglich. Nach zwei bis drei Wochen sinkt der Testosteronspiegel im Blut, die Hoden des Hundes verkleinern sich, und seine Fortpflanzungsfähigkeit wird grundsätzlich unterbunden. Der volle Effekt tritt nach sechs Wochen (beim Halbjahresimplantat) bis acht Wochen (beim Jahresimplantat) ein.

Ist der gewünschte Hormonstatus erreicht und vor allem der Testosteronspiegel auf nahezu Null heruntergefahren, sollte sich der Geschlechtstrieb deutlich vermindern und der Rüde unfruchtbar sein. Infolgedessen ändert sich in der Regel dann auch sein Verhalten. Wichtig dabei ist, dass dem Rüden diese Zeit auch gewährt wird.

Vorteile der chemischen Kastration

Der Tierbesitzer geht dabei kein Risiko ein. Der Kastrations-Chip besteht aus einer wachsähnlichen Substanz, die sich auflöst und vom Körper komplett abgebaut wird. Nach Ablauf der Wirkdauer normalisiert sich die Hodengröße, und der Hund wird wieder so, wie er vorher war. Man nimmt ihm nichts weg. Manche Tiere zeigen im kastrierten Zustand aber auch unerwünschte Nebenwirkungen: Sie nehmen an Gewicht zu, ihre Fellstruktur verändert sich, und sie können ihr Selbstbewusstsein einbüßen. Da Testosteron das Selbstbewusstsein steigert, kann seine Reduktion im Körper aus einem bisher eher dominanten Rüden auch einen Angsthasen machen, der Probleme hat, sich vor seinen Artgenossen zu behaupten. Oder aber das genaue Gegenteil: Der Kastrat war vorher eher angstaggressiv und verstärkt sein Verhalten nun noch, indem er jeden anderen Kerl attackiert.

Der operative Eingriff
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Mit dem Kastrationschip haben Frauchen und Herrchen in jedem Fall die Wahl, wie sie danach weiter verfahren möchte. Um herauszufinden, ob und welches Verhalten sich bei dem Hund verändert, empfiehlt es sich, zunächst mit der kleineren Dosis für ein halbes Jahr zu beginnen und dann das Implantat später jährlich zu erneuern oder das Tier chirurgisch zu kastrieren, falls dies gewünscht ist. Der größte Vorteil einer medikamentösen Kastration aber ist: Wenn sich der Hund als Kastrat optisch oder vom Verhalten her in unerwünschter Weise verändert, dann ist das in jedem Fall reversibel und nicht endgültig wie bei einem chirurgischen Eingriff ohne „Probelauf“.

Prävention für einige Fälle

Nachwuchs ist nicht immer erwünscht
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Anders als bei Hündinnen, bei denen eine Frühkastration Mammatumoren vorbeugen soll, trifft dies beim männlichen Vierbeiner nicht zu. Leben Rüde und Hündin zusammen, kann allein die Anwesenheit des Weibchens den Herrn glatt um den Verstand bringen und ihn dauerhaft stimulieren. Mit dem Chip   auf Probe bekommt der Charmeur eine Pause verpasst, und das Zusammenleben wird wieder harmonischer. Bei brachycephalen Rassen wie Mops, Bulldogge & Co. ist die chemische Kastration oft die Lösung schlechthin. Durch die Fehlstellung der Nase, dem zu kleinen Kehlkopf und die enge Luftröhre ist ihr Narkoserisiko weitaus höher als für andere Tiere und jeder chirurgische Eingriff eine große Herausforderung.

Voraussetzung für den Chip

Das Implantat ist geeignet für geschlechtsgesunde, anatomisch normale Hunde, die komplett geschlechtsreif sind und deren Pubertät abgeschlossen ist. Glücklicherweise setzt sich der Trend aus den USA, den Vierbeiner noch in seiner Entwicklungsphase zu kastrieren, bei uns nicht durch.

Der Tierhalter hat die Wahl
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Es sprechen also viele gute Gründe für das Implantat auf Zeit. Auch wenn die Methode keine endgültige beziehungsweise sichere Garantie bietet – weder für das Verhalten des Hundes noch für die Unterbindung seiner Zeugungsfähigkeit. Bespringt er trotz heruntergeschraubten Sexualtriebs eine Hündin, sollten bei dieser in jedem Fall alle angemessenen Maßnahmen gegen eine unerwünschte Trächtigkeit ergriffen werden. Wer die Fortpflanzung seines Rüden also zu 100 Prozent sicher verhindern möchte, wählt besser einen chirurgischen Eingriff. Für alle anderen ist die medikamentöse Kastration ein sinnvoller Testlauf, um die richtige Entscheidung zu treffen – am besten gemeinsam mit dem Tierarzt und einem Verhaltensexperten. Suzanne Eichel