Für den Futterbeutel gibt es viele gute Einsatzmöglichkeiten. Doch das verheißungsvolle Säckchen ist kein Allheilmittel für Verhaltensprobleme und wird leider allzu oft dafür benutzt, den Vierbeiner zu bestechen. Wenn auch zumeist ungewollt.

Die Grundlage für den Einsatz des Futterbeutels ist die operante Konditionierung auf dem Prinzip: Lernen durch Erfolg. Der Hund zeigt ein bestimmtes Verhalten und lernt anhand der folgenden Konsequenz, eine Handlung auszuführen oder zu unterlassen. Abhängig davon übrigens, ob die Konsequenz für ihn angenehm (belohnend) oder unangenehm (bestrafend) ist. Ein erwünschtes Verhalten wird dadurch belohnt, dass der Vierbeiner aus dem Sack naschen darf oder ein Leckerli daraus erhält. Als Strafe dagegen bleibt die kulinarische Anerkennung aus.

Warum positive Verstärkung so gut funktioniert

Welpe mit Futterbeutel beim Spielen
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Nahrung hat für Hunde immer noch eine etwas andere Bedeutung als für uns Menschen. Auch wenn die Fellpartner durchaus registrieren, dass ihr Halter in puncto Futter die Verantwortung für sie übernimmt, gilt für sie immer noch das Motto: Nimm, was du kriegen kannst. Ein Grund, warum die positive Verstärkung mit Leckerlis oder der Lieblingskost als primärer Verstärker bei ihnen so gut funktioniert. Wie immer aber  ist es nicht nur eine Frage des richtigen Timings, sondern auch eine des konkreten Plans, der hinter dem Einsatz dieses Hilfsmittels steckt, damit der Hund das Ganze auch in unserem Sinne versteht und wie gewünscht reagiert.

Alles, nur kein Problemlöser

Auch wenn einige Hundetrainer gerne den Futterbeutel als Lösungsstrategie für eigentlich jedes unerwünschte Verhalten propagieren, ist er in der Realität kein Allheilmittel für alles. Wenn es so simpel wäre, beispielsweise einen unkastrierten Rüden einfach durch den Wurf des Beutels von einer läufigen Hündin abzulenken oder den jagdlich interessierten Vierbeiner eben nur mal so aus dem Handgelenk von der Eichhörnchenjagd abzuhalten … Schön wär`s. Aber Hunde sindneben nicht reine Konditionierungs-Maschinen.

Die gefüllte Erziehungsmethode
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Ist der Reiz, von dem Bello ablassen oder sich nicht verleiten lassen soll, hundert Mal, zehn Mal oder auch nur doppelt so attraktiv, dann kann der Futterbeutel nicht helfen. Und auch dann nicht, wenn der Mensch für seinen Partner auf vier Pfoten zu unattraktiv ist. Oder aber nicht einschätzbar, ohne Führungsgeist oder schlichtweg spaßbefreit. Es ist und bleibt letztendlich eine Entscheidung auf Beziehungsebene. Soll mein Hund etwas tun oder lassen, weil ich es sage oder nicht Egal, ob es aus Hundesicht Sinn macht. Ein wirkliches Problemverhalten löst das gefüllte Mäppchen nicht auf.

Der Sack als Bestechungsnummer

Frei nach dem Motto „Bist du nicht willig, so brauche ich den Futterbeutel“ zu agieren, hat letztendlich nur einen Lerneffekt. Und der bedeutet für den Vierbeiner: Ohne den Sack mach ich mal gar nichts mehr. Auf diese Weise sägt der Mensch an seinem eigenen Stuhl und untergräbt die eigene Führungsqualität. Er wird schlichtweg zum Erpresser.

Die Belohnung kommt direkt aus dem Beutel
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Ernsthaft hinterfragen sollte der Halter die Outdoorfütterung der Hauptmahlzeiten. Vorausgesetzt der Hund verträgt es gut, kann sie temporär für gewisse Trainingsschritte praktiziert werden. Grundsätzlich gilt jedoch: Mindestens ein Drittel der Nahrung in Ruhe und zu Hause geben. Einige Hunde geraten durch diese Art der Futterrationierung schlichtweg in Stress – und haben dann manchmal zu viel davon. Insbesondere Tierschutzfelle, die Hunger und existenzielle Ängste kennenlernen mussten. Abhängig von ihrer Grundpersönlichkeit kann dieser Dauerstress zu physischen und psychischen Problemen führen.

Es stellen sich zudem die Fragen: Was macht diese Art, mit seinem vierbeinigen Partner umzugehen, mit der Beziehung zu seinem Menschen? Soll damit ein Lerneffekt erzielt werden, und was kommt dabei raus? Trainiere ich meinem Hund darüber vielleicht auch etwas anderes ungewollt an, wie eine Ressourcenaggression? Mache ich ihn zum Futterschlinger?

Der richtige Einsatz

Richtig verstanden und eingesetzt ist das gefüllte Säckchen selbstredend eine wunderbare Möglichkeit, den Vierbeiner zu beschäftigen. Dabei hat es sich als kolossal verstärkend herausgestellt, wenn der Mensch den Futterbeutel erst mal als seinen eigenen Schatz deklariert. Das macht den Hund natürlich neugierig, und er wird begeistert darauf reagieren, wenn sein Halter diesen Schatz mit ihm teilt. So wird dieser zum gemeinsamen „heiligen Gral“, auf den aufzupassen und den zu suchen sich absolut lohnt. Hierbei steht die intrinsische Motivation im Vordergrund – Leckerlis, Futter sind da nur Beiwerk oder eben das I-Tüpfelchen. Das Ziel sollte stets die Motivation und Freude an der Zusammenarbeit mit dem Menschen sein – damit es letztendlich auch ohne Futterbeutel klappt.

Achtung beim Training im Park

Was soll der Hund lernen?
© Suzanne Eichel

Beim Training im öffentlichen Raum wie einem Park kann es bei der Begegnung mit anderen Vierbeinern, ob bekannt oder fremd, durchaus zu einer Futteraggression kommen. Sobald sich ein anderer Hund nähert, sollte das Werfen des Beutels beendet werden. Eine Variante ist es auch, ihn nicht zu befüllen und die Belohnung direkt zu geben. Apportierfans werden ohnehin schon bald auf Dummy & Co umsteigen, um damit ihren Sportlern eine Vielzahl kreativer, intelligenter Beschäftigungsaufgaben anzubieten. Wie bei eigentlich allen Erziehungsfragen ist die Arbeit an einem guten Grundgehorsam und der Frustrationstoleranz sowie das Steigern der Impuls- und Selbstkontrolle die Voraussetzung.

Erstaunlich oft wird immer noch angenommen oder auch verkauft, dass die Bindung so viel mit der Fütterung zu tun habe. Wissenschaftliche Studien haben längst belegt, dass nicht derjenige, der dem Hund die Nahrung kredenzt, die bessere Beziehung zu ihm hat, sondern derjenige, der die meiste Zeit mit ihm verlebt und ihm viel Unterschiedliches bietet. Der Futterbeutel kann ein toller Einstieg ins Apportieren sein oder auch im Training gute Dienste leisten. Dennoch steht der Dialog zwischen dem Menschen und seinem Hund im Vordergrund. Neurobiologisch wurde übrigens festgestellt, dass Konditionierungsprozesse das Gehirn und Nervensysteme dauerhaft verändern. Durch neue Nervenverknüpfungen (Synapsen), wird die Reizleitung an dieser Stelle umgeleitet und dies eigentlich lebenslang. Fragt sich: Sind Konditionierungsmethoden dann wirklich so sanft und gewaltfrei, wie gerne behauptet wird? Maike Frenzel